
Doppelte Wesentlichkeit: die doppelte Wesentlichkeitsanalyse erklärt
So unterstützt die Doppelte Wesentlichkeitsanalyse nachhaltige Unternehmensziele. Alles, was Sie zur doppelten Wesentlichkeit wissen müssen.
Aus Gründen der Lesbarkeit wird in diesem Text überwiegend das generische Maskulinum verwendet. Es sind jedoch stets alle Geschlechter gemeint.
An den Schlechteren gemessen ist jeder gut. Irreführende Werbung, irrelevante Informationen oder gar Manipulation: Unternehmen präsentieren sich als umweltfreundlich, um den Kunden zu suggerieren, sie würden eine ökologische Konsumentscheidung treffen, wenn sie ihre Produkte kaufen. Die Methoden des Greenwashings sind vielfältig, oft vorsätzlich, manchmal auch unabsichtlich.
Die EU-Richtlinie (EU) 2024/825 will Greenwashing unterbinden, indem irreführende Werbung verboten wird und bessere Informationen über Produkte zugänglich gemacht werden. Dies soll durch das Verbot von irreführenden Nachhaltigkeitsaussagen erreicht werden, dazu gehören:
Aktuell befindet sich die sogenannte Green Claims Directive im Gesetzgebungsprozess, diese zielt darauf ab, Verbraucher besser vor Greenwashing zu schützen. Derzeit existieren in der EU etwa 230 Nachhaltigkeitslabels und 100 grüne Energielabels mit stark variierenden Transparenzstandards. Untersuchungen zeigen, dass 53% der grünen Behauptungen vage, irreführend oder unbegründet sind, 40% keine unterstützenden Beweise liefern und die Hälfte aller grünen Labels schwache oder nicht vorhandene Überprüfungen aufweisen. Beispiele sind:
Die Richtlinie will Zuverlässigkeit und Vergleichbarkeit für die Verbraucher herstellen – auf EU-Ebene. Darüber hinaus soll die Kreislaufwirtschaft gefördert und Wettbewerbsgleichheit gewährleistet werden. Um das sicherzustellen, sollen folgende wesentlichen Maßnahmen umgesetzt werden:
Eine natürliche Konsequenz aufgedeckten Greenwashings ist der Reputationsverlust. Stakeholder verlieren das Vertrauen in die Marke, was zu erheblichen Umsatzeinbußen führen kann. Darüber hinaus können aber auch Bußgelder und Rückerstattungen fällig werden. Greenwashing kann zusätzlich Abmahnungen, Unterlassungsklagen von Verbraucherschutzorganisationen oder Schadensersatzforderungen von Kunden nach sich ziehen.
Sich eine weiße Weste anziehen, seine Hände in Unschuld waschen oder sich von selbiger reinwaschen – es gibt etliche Redewendungen dafür, sich aus der Verantwortung zu stehlen oder sich als besonders moralisch zu präsentieren. Natürlich gibt es auch Unternehmen, die Greenwashing unabsichtlich betreiben, weil sie die gesetzlichen Vorgaben nicht genau kennen oder irreführende Aussagen nicht vorsätzlich treffen.
Unternehmen nutzen Greenwashing in der Regel, um sich einen (vermeintlichen) Wettbewerbsvorteil zu verschaffen: Verbraucher sind oft bereit, mehr Geld für Bio-Produkte auszugeben, also wird gerne versucht, das Packaging nach bio aussehen zu lassen, es am besten noch mit einem eigens kreierten Nachhaltigkeitssticker ohne Aussagekraft zu verzieren und so Preis und Absatz nach oben zu treiben.
Die Umstellung auf wirklich nachhaltige Produkte ist mit viel Aufwand verbunden, mit Lebenszyklusanalysen, möglicherweise sogar mit der Anpassung der Unternehmensstrategie – auf jeden Fall aber mit einem Mehraufwand an Zeit und Kosten. Da scheint das geringere Übel, die Kommunikation leicht anzupassen.
Klimaneutral – ein wunderschönes Wort, das sich so anhört, als blieben Klima und Umwelt gänzlich unberührt. Das ist leider falsch. Eigentlich ist es sogar eine dreiste Lüge, denn klimaneutral bedeutet nicht, dass keine Treibhausgasemissionen ausgestoßen werden. Dieser Zustand ist bei jeder Art von Produktion, sogar bei jeder Tätigkeit eines Menschen nahezu ausgeschlossen (es sei denn, Sie gehen nackt am Strand laufen – vorausgesetzt, Sie sind nackt zu Fuß zu diesem Strand gegangen und haben kein Verkehrsmittel genutzt).
In Wahrheit kann man also von Netto-Null-Emissionen oder Net Zero sprechen, was bedeutet, dass nur so viele Emissionen verursacht werden, wie auch kompensiert werden können.
Mehr dazu in unserem Net Zero Artikel: https:/greenly.earth/de-de/net-zero
Klimaneutral bedeutet lediglich, dass die ausgestoßenen Treibhausgasemissionen durch den Kauf von CO₂-Zertifikaten ausgeglichen werden. Diese CO₂-Zertifikate lassen sich in Anteile an Umweltprojekten übersetzen, die so viel CO₂ bündeln, wie bei der Herstellung des als klimaneutral deklarierten Produktes emittiert wurde. Es bedeutet also nicht, dass keine oder zumindest weniger Treibhausgase freigesetzt wurden.
Überspitzt gesagt fliegt man also selbst mit dem Privatjet von A nach B, während man dem Nachbarn ein Jahresticket für den öffentlichen Nahverkehr spendiert.
Würde beim Familienduell die Frage nach einem Greenwashing-Beispiel gestellt, wäre die Chance sehr hoch, dass die Top-Antwort der VW-Abgasskandal ist. Die Automobilbranche gilt allgemein als anfällig für Greenwashing, jedoch wollen wir hier Praktiken des Greenwashings in verschiedenen Branchen eingehen, denn die Wahrheit ist leider: Greenwashing wird in nahezu allen Sektoren angewandt.
In welchen Branchen findet Greenwashing statt?
Sektor | Beispielhafte Greenwashing-Praxis |
---|---|
⚡Energiesektor | Eine gängige Praxis im Energiesektor ist die Werbung mit grünen Projekten, wie zum Beispiel erneuerbaren Energien in Form von Wind- und Solarparks – während gleichzeitig in fossile Brennstoffe investiert wird |
🏦Banken & Versicherungen | Stichwort grüne Fonds. Diese vermeintlich nachhaltigen Finanzprodukte haben oftmals keine konkrete Wirkung und investieren darüber hinaus in Unternehmen oder Industrien, die nachweislich umweltschädlich sind, wie beispielsweise die Waffenproduktion oder fossile Brennstoffe, weil diese besonders rentabel sind |
🥦Lebensmittelindustrie | Wenn etwas als natürlich beworben wird, sagt das erstmal nichts darüber aus, welcher Anteil des Produkts tatsächlich natürlich, also nicht aus industrieller Landwirtschaft oder Gentechnik stammt |
🏨Tourismus | Hotels werben mit der Reduktion ihrer Scope 1 und 2 Emissionen, obwohl ein Großteil der Gesamtemissionen, die unberührten Scope-3-Emissionen, also jene entlang der Lieferkette, ausmachen |
🛍️Verpackungsindustrie | Seit einiger Zeit sind kompostierbare Abfallbeutel der Star im Müllsackregal. Doch selbst wenn sich diese Tüten (nach sehr langer Zeit) zersetzen, löst sich das Plastik nicht einfach in Luft auf. Mikroplastik gelangt in unsere Böden und somit in unseren Lebensmittelkreislauf |
💄Kosmetikbranche | Organische Inhaltsstoffe, die nicht den höchsten Standards entsprechen oder auch der gern genutzte Hinweis auf recycelbare Verpackungen ohne Nachweise für die tatsächliche Kompostierbarkeit |
👗Modeindustrie | Gerade die Fast-Fashion-Branche wird – leider meistens zu recht – immer wieder des Greenwashings bezichtigt, zum Beispiel, wenn sich mit nachhaltigen Kollektionen gebrüstet wird – auf der anderen Seite aber Berge an Kleidung aus der Massenproduktion ungetragen im Müll landen |
🏗️Bauindustrie | Umweltfreundliche Solarzellen auf dem Dach machen leider noch kein grünes Gebäude, solange die gesamte Umweltbilanz der Immobilie nicht positiv ausfällt |
📱Telekommunikation | Recycling-Programme, in denen das alte Gerät zurückgenommen wird, aber nirgends wird eine tatsächliche Recyclingquote kommuniziert, sodass nicht ersichtlich ist, ob zurückgegebene Produkte wirklich recycelt oder doch nur entsorgt werden |
🚗Automobilindustrie | Um Greenwashing zu betreiben, muss man nicht direkt eine Software manipulieren – es reicht schon nur die halbe Wahrheit zu erzählen. Zum Beispiel, wenn ein Konzern damit wirbt, besonders umweltfreundlich zu sein, indem er auf seine Elektroserie hinweist, die jedoch nur einen kleinen Teil der Gesamtproduktion ausmacht |
Natürlich ist es nicht zu jedem Zeitpunkt praktikabel, eine Checkliste mit in den Supermarkt oder zum Shopping zu nehmen. Dafür gibt es eine Reihe an Organisationen, die sich der Nachhaltigkeit und ihrer Überprüfung verschrieben haben. Ein paar davon stellen wir hier vor:
Das EU Ecolabel wurde 1992 von der Europäischen Kommission eingeführt und ist ein internationales Umweltgütesiegel, das Verbrauchern umweltbewusste Konsumentscheidungen ermöglichen soll. Es hat bereits über 80.000 der umweltfreundlichsten Produkte und Dienstleistungen aus folgenden Bereichen ausgezeichnet:
Dafür gibt die Europäische Kommission einen Produktkatalog zertifizierter Produkte, die in der EU, Norwegen, Island und Liechtenstein erhältlich sind:
Die Liste touristischer Unterkünfte können Sie hier einsehen: https://environment.ec.europa.eu/topics/circular-economy/eu-ecolabel/eu-ecolabel-tourist-accommodation_en
Mit der App von Yuka lassen sich Lebensmittel und Kosmetikprodukte durch das Scannen des Barcodes auf ihre Gesundheitsschädlichkeit prüfen. In der Datenbank finden sich 3,6 Millionen Produkte aus dem Lebensmittelbereich und 2,2 Millionen aus dem Kosmetikbereich, die auf einer Punkteskala von 0 bis 100 anhand verschiedener Kriterien bewertet werden (Nährwert, Zusatzstoffe, Allergene, Reizstoffe usw.). Für Produkte, die schlecht abschneiden, bietet Yuka direkt eine bessere Alternative an.
https://yuka.io/de/
Die App folgt einem ähnlichen Prinzip wie Yuka. Sie bewertet Kosmetika, Lebensmittel sowie Produkte rund um Baby und Kind, dafür deckt sie bedenkliche Inhaltsstoffe, wie Palmöl, Mikroplastik, Allergene, zu viel Zucker und Salz oder Fett auf.
https://www.codecheck.info/
Die gemeinnützige Verbraucherorganisation ist die wohl bekannteste Stiftung Deutschlands. Bereits seit 1964 führt die Stiftung Warentest Vergleiche von Waren und Dienstleistungen verschiedener Anbieter durch. Diese Vergleiche sollen den Verbraucher wirtschaftlich, gesundheitlich und ökologisch über Produkte aufklären. Diese werden mit Noten von sehr gut (0,5 - 1,5) bis mangelhaft (4,6 - 5,5) bewertet.
https://www.test.de/
Das Verbraucherschutzmagazin wurde 1985 erstmals herausgegeben und bewertet seither Produkte und Dienstleistungen hinsichtlich ihrer Schadstoffe oder Inhaltsstoffe. Seit Ende 2010 bewertet Öko-Test auch die Corporate Social Responsibility von Unternehmen, also wie nachhaltig ein Unternehmen arbeitet und in welchem Umfang es seiner gesellschaftlichen Verantwortung nachkommt.
https://www.oekotest.de/
Labels, Siegel und Gütezeichen finden sich auf einer Vielzahl von Produkten – mittlerweile gibt es über 1.000 verschiedene, was die Qualität dieser Labels infrage stellt. Label Online erklärt die Bedeutung verschiedener Siegel und bewertet ihre Qualität und Aussagekraft – das ist nötig, da Unternehmen immer häufiger eigene Labels mit inhaltslosen Aussagen entwerfen und den Verbraucher so in die Irre führen.
https://label-online.de/
Siegelklarheit bewertet Labels mit einem Sternesystem in den Punkten Glaubwürdigkeit, Umwelt und Soziales. Die Zahl der Sterne zeigt an, ob ein Siegel die Mindestanforderungen nicht erfüllt, erfüllt oder sogar übertrifft, was letztlich zur Aussage Gute Wahl oder Sehr gute Wahl führt.
Zuerst wird geprüft, ob ein Siegel die Mindestanforderungen der Bundesregierung in der Dimension Glaubwürdigkeit sowie Umwelt und/oder Soziales erfüllt. Mindestanforderungen befassen sich mit Themen, denen eine besondere Relevanz zukommt. Etwa, weil sie für die ökologische und soziale Nachhaltigkeit im Produktionsprozess eine besonders wichtige Rolle spielen. Werden diese Mindestanforderungen nicht erfüllt, werden die Siegel zunächst nicht weiter von Siegelklarheit besprochen.
https://www.siegelklarheit.de/
Die deutsche Umwelthilfe setzt sich seit Mitte der 70er-Jahre für Umwelt-, Natur- und Verbraucherrechte ein. Außerdem entlarvt sie jährlich die dreisteste Umweltlüge und zeichnet den Gewinner mit dem Goldenen Geier aus.
https://www.duh.de/
Die Verbraucherzentralen sind unabhängige Organisationen, die Verbraucher in allen deutschen Bundesländern beraten und über ihre Rechte aufklären. Sie prüfen Produkte und Dienstleistungen auf Transparenz, Nachhaltigkeit und Fairness, setzen sich gegen Greenwashing ein und bieten rechtliche Unterstützung bei Verbraucherfragen. Zudem informieren sie über nachhaltigen Konsum und klären über Täuschungsstrategien von Unternehmen auf.
https://www.verbraucherzentrale.de/
Foodwatch setzt sich für gesundheitlich unbedenkliche, qualitative Lebensmittel und transparente Informationen darüber ein. Dafür recherchiert und analysiert foodwatch, um Werbelügen der Industrie offenzulegen. Darüber hinaus bringt die Organisation auch Gesetzesvorschläge ein, die Verbraucher schützen sollen.
https://www.foodwatch.org/de/startseite
Von Aldi bis VW: Die dreistesten Greenwashing-Beispiele, Biovative, https://biovative.de/magazin/von-aldi-bis-vw-die-dreistesten-greenwashing-beispiele/
Das sind die 10 verlogensten Greenwashing-Kampagnen aller Zeiten, Basicthinking, https://www.basicthinking.de/blog/2022/06/17/verlogensten-greenwashing-kampagnen-aller-zeiten/10/
Greenwashing, BMUV, https://www.bmuv.de/themen/verbraucherschutz/nachhaltiger-verbraucherschutz/greenwashing
RICHTLINIE (EU) 2024/825 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES
vom 28. Februar 2024, EUR-Lex, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX%3A32024L0825
Nachhaltigkeit vs. Greenwashing: Wie erkennt man den Unterschied? Greenpeace, https://greenpeace.at/hintergrund/nachhaltigkeit-vs-greenwashing-wie-erkennt-man-den-unterschied/
Was ist Greenwashing? Definition und Beispiele, Umweltmission, https://umweltmission.de/wissen/greenwashing/
Greenwashing in der Mode erkennen: 5 Tipps, Greenpeace, https://greenpeace.at/ratgeber/greenwashing-in-der-mode-erkennen-5-tipps/
Wie Sie Greenwashing erkennen, Plan A, https://plana.earth/de/academy/how-to-spot-greenwashing
Greenwashing erkennen – Transparenz schaffen, Umwelt Bundesamt, https://www.umweltbundesamt.de/presse/pressemitteilungen/greenwashing-erkennen-transparenz-schaffen
Greenwashing erkennen, Verbraucherzentrale, https://www.verbraucherzentrale-rlp.de/umwelt-haushalt/nachhaltigkeit/greenwashing-erkennen-79865
ARD, neuneinhalb, Greenwashing – wie Firmen uns in die Irre führen, zdf mediathek, https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=OJ%3AL_202400825